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Was Whatsapp-Kanäle in der Kommunikation bringen
von Franziska Bluhm am 05.12.2024
Seit November 2023 ist es auch in Deutschland möglich, Whatsapp-Kanäle zu bespielen. Innerhalb weniger Monate kannten laut ARD/ZDF-Medienstudie über die Hälfte der deutschsprachigen Bevölkerung dieses Feature – bei den unter 30-Jährigen sogar 75 Prozent.
Ein Blick auf die Kanäle zeigt, dass Medien, Unternehmen, Organisationen sowie Content-Creator*innen und Influencer*innen Whatsapp gezielt für ihre Kommunikation einsetzen – und das offenbar mit Erfolg. So verzeichnen z. B. der Bundestag über 30.000, WDR Aktuell 186.000 und REWE 115.000 Abonnierende. Viele Kanäle erhalten zudem zahlreiche Reaktionen auf ihre Inhalte. Kein Wunder, dass Marken wie Chip gleich 38 Kanäle betreiben, um zielgruppenspezifisch Abonnierende zu gewinnen, was auch den Traffic auf deren Webseiten steigern dürfte.
Aber was bringt das Spekulieren: Ich habe nachgefragt bei Kommunikator*innen, Journalist*innen, Betreiber von politischen oder öffentlichen Einrichtungen und wollte wissen:
- Warum seid ihr auf Whatsapp gegangen?
- Wie ist eure Bilanz: Was läuft gut bzw. hättet ihr nicht erwartet?
Hier sind die Antworten.
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Bundestag
Warum seid ihr auf Whatsapp gegangen?
Whatsapp wird täglich von mehr als 85 Prozent der deutschsprachigen Bevölkerung (ARD/ZDF-Medienstudie) genutzt. Das ist – auch im Vergleich zu anderen Plattformen – eine enorme potenzielle Zielgruppe. Außerdem wird Whatsapp von vielen Bürgerinnen und Bürgern Ü50 genutzt, die wir eher weniger über unsere anderen Social-Media-Angebote erreichen. Gleich zum Start der Channels in Deutschland waren wir dabei.
Für Whatsapp hat zudem gesprochen, dass wir mit unseren Meldungen einen Tab neben den Freunden und Verwandten landen – näher geht kaum. So bauen wir eine persönliche Beziehung auf und es gibt keinen Algorithmus, der unsere Postings beeinflusst. Wir setzen darauf, dass unsere Nachrichten auch möglichst oft mit den eigenen Kontakten geteilt werden.
Der Kanal ergänzt unser Angebot auch, da er Medienformen ermöglicht, die wir von Insta oder LinkedIn nicht kennen: Sprachnachrichten kommen gut an. Und Textnachrichten schreiben wir sonst nur noch bei Mastodon. Whatsapp füllt da eine Lücke zwischen echtem Social-Feeling und textbasierten Polit-Infos.
Wie ist eure Bilanz? Was läuft gut bzw. hättet ihr nicht erwartet?
Unsere Bilanz ist positiv: Innerhalb von gut 10 Monaten konnten wir organisch 30.000 Followerinnen und Follower für den Kanal begeistern. Gerade jetzt, in der aktuellen politischen Lage, steigt das Interesse an dem Angebot weiter, wie die Zahlen zeigen.
Was uns überrascht hat: Die Kanal-Funktion scheint vorwiegend von (sehr) jungen Menschen genutzt zu werden. Sowohl unsere letzte Umfrage zur Altersstruktur als auch die anderer vergleichbarer Kanäle weisen darauf hin, dass die Nutzerschaft sehr jung ist. Unsere Hoffnung, mehr Menschen Ü50 zu erreichen, ist damit bisher nur bedingt erfüllt worden.
Dank der Einführung der Insights haben wir darüber hinaus gelernt, dass der Kanal jeden Monat auch tausende Nicht-Abonnentinnen erreicht. Das hätten wir so ebenfalls nicht erwartet.
Clara Farrenkopf, Redakteurin im Social-Media-Team des Deutschen Bundestages
Frank Bergmann, Leiter des Social-Media-Teams des Deutschen Bundestages
Grüne Fraktion NRW
Warum seid ihr auf Whatsapp gegangen?
Weil wir hoffen, dort viele Menschen zu erreichen, die noch keinen unserer anderen Social-Kanäle abonniert haben – und weil wir gerne zu den ersten in der NRW-Landespolitik gehören wollten, die einen WhatsApp-Kanal einrichten. Für WhatsApp spricht die enorme Verbreitung der App, auch bei jenen, die sonst kaum oder gar kein Social Media nutzen. Ob sich die Kanal-Funktion etabliert, wird sich zeigen, aber wir sehen großes Potenzial.
Wie ist eure Bilanz? Was läuft gut bzw. hättet ihr nicht erwartet?
Wir haben vier Monate nach dem Start bereits rund 1.700 Follower, und das, ohne bislang groß für unseren Kanal getrommelt zu haben. Nicht erwartet hätte ich, dass zusätzlich noch deutlich mehr Menschen ohne Abo unsere Nachrichten lesen. Das spricht dafür, dass sich der Aufwand lohnen kann. Ich finde immer noch ungewöhnlich, dass es keine Kommentarfunktion gibt. Dadurch fehlt zwar einerseits ein wichtiger Feedbackkanal. Andererseits finde ich als Nutzer inzwischen angenehm, dass die Kanäle im Vergleich zum Beispiel zu X entspannt und konstruktiv wirken, weil die sonst allgegenwärtigen Kommentarschlachten ausbleiben. Wir bekommen in Form von Emojis zugleich sehr viel Feedback, vielleicht auch durch das Fehlen der Kommentarfunktion.
Arne Lieb, Pressesprecher und Leiter Öffentlichkeitsarbeit der Grünen Landtagsfraktion NRW
Rathaus Bremen
Warum seid ihr auf Whatsapp gegangen?
Als Rathaus Bremen wollen wir unsere Themen so direkt wie möglich an die Bremerinnen und Bremer bringen. Wir haben als Behörde eine Informationspflicht, der wir nur nachkommen können, wenn wir mit unseren Themen da sind, wo die Menschen sind. Und bei WhatsApp sind sie. Die Verbreitung von News innerhalb des Messengers birgt ein deutlich größeres Potenzial als bei unseren Social-Media-Kanälen. Das kann besonders für eine mögliche Krisenkommunikation wichtig werden. Die Pandemie hat gezeigt, wie schnell relevante Infos auf Sharepics bei WhatsApp die Runde gemacht haben. Solche Informationen auch direkt in dem Tool anzubieten, in dem sie viel geteilt werden, halten wir für enorm wichtig.
Was läuft gut?
Wir wussten von Anfang an, dass die WhatsApp-Channel-Pflege im Alltag wenig Aufwand macht. Dass hier keine Kommentarspalte moderiert werden muss, hat die Entscheidung leicht gemacht, den Kanal auch mit einem kleinen Team zu bedienen. Der Kanal lässt sich im Alltag gut mitdenken. Das Handling ist einfach, da die Bedienung des Channels dem eines Gruppenchats ähnelt. Hier waren keinerlei Schulungen nötig. Zudem entwickelt sich die Reichweite gut – wenn auch langsamer als gehofft.
Was hat uns überrascht?
Schwierig war es, sich den Account verifizieren zu lassen. Die Online-Anfragen bei Meta sind anfangs komplett ins Leere gelaufen, was die Bewerbung des Kanals schwierig gemacht hat. Auch ist die exakte Reichweite schwer einzuschätzen. Manchmal macht sie große Sprünge und wird dann über mehrere Wochen hinweg wieder kleiner. Daher haben wir uns angewöhnt, nur noch mehrmonatige Zeiträume miteinander zu vergleichen.
Meike Lorenzen, Referatsleiterin Online-Kommunikation, Senatskanzlei Bremen
REWE
Warum seid ihr auf WhatsApp gegangen?
REWE verfolgt bei WhatsApp eine Zwei-Kanal-Strategie:
1.) Der WhatsApp Broadcast-Channel (WAC) von Meta ist ein idealer Kommunikationskanal, um unmittelbar zu einer Community zu sprechen. Über den WhatsApp Channel können Fans und Kund:innen sich ganz bewusst auf eine bestimmte Marke fokussieren, die Marke kann gleichzeitig Mehrwerte bieten, zugeschnitten auf die Interessen der Abonnent:innen. Diese Interessen können sehr klar über Umfrageergebnisse oder Reaktionen der Community definiert werden. Seit dem Start im November 2023 konzentrieren wir uns daher auf Angebots- und Rezept-Themen, geben aber auch exklusive Informationen zu Kampagnen.
2.) Zudem nutzt REWE einen weiteren WhatsApp Push-Kanal für digitale Angebote mit dem Titel „REWE-Angebote". Hier wird wöchentlich der digitale Prospekt passend zum ausgewählten Markt an Abonnent:innen versandt, um gezielt die aktuellen Angebote zur Verfügung zu stellen.
Wie ist eure Bilanz? Was läuft gut bzw. hättet ihr nicht erwartet?
Insgesamt stehen Aufwand, Betreuung des Kanals und die Erfüllung der Zielsetzungen, insbesondere Klicks und Abonnentenzahlen, in einem guten Verhältnis, sodass wir eine positive Bilanz ziehen. Wir merken jedoch, dass nach einem starken Anstieg der Followerzahl langsam eine Stagnation eingesetzt hat, die wir im Übrigen auch bei den WhatsApp Auftritten anderer Brands beobachten. Daher ist ein ständiges Test&Learn hier essentiell.
Annika Müller, Referentin Unternehmenskommunikation / Mediensprecherin, REWE Group
Rheinische Post
Warum seid ihr auf Whatsapp gegangen?
Vor einigen Jahren hatten wir mit den Whatsapp-Newslettern an einen großen Verteilerkreis, direkt in die Inbox der Nutzerinnen und Nutzer, großen Erfolg – und haben darüber auch nennenswerte Reichweiten erzielt. Nachdem dieser Weg dann seitens Meta abgeklemmt wurde, haben wir uns gefreut, dass Whatsapp eine neue Möglichkeit bietet, mit der Community zu interagieren. Da wir sowohl ein breites Publikum ansprechen als auch Inhalte für spezielle Zielgruppen anbieten, wollten wir mit dem neuen Format der Whatsapp-Kanäle experimentieren. Entsprechend haben wir verschiedene Kanäle gestartet. Seit etwa einem Jahr sind wir nun damit am Start. Wir sind auf Whatsapp in einem sehr persönlichen Kommunikationsbereich unterwegs, neben den Chats mit Freunden und Familie. Und es bestimmt kein Algorithmus, ob ein Kanal-Abonnent unsere Inhalte sieht, sondern der Abonnent selbst. Das ist ein großer Unterschied zu fast allen gängigen Social-Media-Plattformen.
Wie ist eure Bilanz? Was läuft gut bzw. hättet ihr nicht erwartet?
Licht und Schatten. Gerade bei den zielgruppenspezifischen Kanälen für Fans von Borussia Mönchengladbach oder Fortuna Düsseldorf ist die Interaktionsrate wirklich hoch. Wir erleben eine starke Bindung, und sehen auch einen positiven Einfluss auf den Churn bei Nutzern, die uns über Whatsapp lesen. Was die reine Reichweite angeht, also Klicks aus Whatsapp auf unser Portal und in die App, kommen die Kanäle aber bei weitem nicht an die Zahlen der früheren Whatsapp-Newsletter heran. Das hätten wir uns anders gewünscht, sehen die Kanäle aber dennoch als Chance, Nutzerinnen und Nutzer etwas näher an uns zu binden – und dann später vielleicht in andere Angebote zu konvertieren, welche direkt in unserer Hand liegen, etwa E-Mail-Newsletter.
Henning Bulka, Mitglied der Chefredaktion, Rheinische Post
UNICEF Deutschland
Warum seid ihr auf Whatsapp gegangen?
Für uns ist der WhatsApp Channel eine Ergänzung unserer Newsletter- und Social-Media-Kommunikation: Er vereint Gutes von beidem. WhatsApp ist eine der am häufigsten genutzten Apps. Gleichzeitig hat ein WhatsApp Channel nicht den interaktiven Charakter eines sozialen Netzwerkes. Nah dran und niedrigschwellig – genau diese Kombination klang für uns spannend. Also haben wir eine dreimonatige Testphase gestartet. Das war so erfolgreich, dass wir den Kanal nun in unsere Regelkommunikation aufgenommen haben.
Wie ist eure Bilanz? Was läuft gut bzw. hättet ihr nicht erwartet?
Unsere Bilanz nach einem Jahr ist durchweg positiv. Die Abo-Zahlen steigen kontinuierlich. Wir informieren über Kinderrechte- und Nothilfethemen und nutzen Umfragen, um die Leser*innen einzubinden oder Feedback zu bekommen. So können wir gleichzeitig den Content optimieren. Womit wir nicht gerechnet haben: Hate und Getrolle in Form von Scheißhaufen oder Schrei-Smileys blieben uns leider auch hier nicht erspart und wir mussten nach den ersten Wochen die Emoji-Auswahl für Reaktionen auf die üblichen fünf Emojis einschränken. Jetzt freuen wir uns auf das zweite Jahr „UNICEF Deutschland“ auf WhatsApp und viele Leser*innen, die uns dabei unterstützen, Kinder und ihre Rechte zu stärken.
Kristina Müller, Senior Social Media Managerin, Unicef Deutschland
WDR Aktuell
Warum seid ihr mit WDR aktuell auf Whatsapp gegangen?
Als Whatsapp die Channels aufgemacht hat, haben wir die Möglichkeit gesehen, den User:innen besonders nah zu kommen – immerhin landest du da mit News, wo sie sonst auch mit Familie, Freund:innen und Bekannten kommunizieren. Diese Vertrautheit sehen wir auch als Verantwortung: Wie schaffen wir es bei Whatsapp genau das zu liefern, was User:innen von uns erwarten? Nämlich mit WDR aktuell ein Angebot für die zu machen, die durch die Krisen der vergangenen Jahre verständlicherweise nachrichtenmüde geworden sind. Für die, die Nachrichten bewusst vermeiden und Pushes der News-Apps abbestellen, weil ihnen das alles zu viel ist. Darum bieten wir einen Überblick ausgesuchter Nachrichten, die die Menschen in ihrem Alltag als wirklich nützlich empfinden – nicht zu viele News, dafür besonders passende - mit einer ganz eigenen Ansprache. Für echte Nähe: Damit haben wir offenbar einen Nerv getroffen und können Whatsapp als top Distributions-Plattform nutzen.
Wie ist eure Bilanz? Was läuft gut bzw. hättet ihr nicht erwartet?
Wir erreichen nach einem Jahr laut Insights, die Meta uns seit November zur Verfügung stellt, regelmäßig über 200.000 Konten. Was uns besonders freut ist, dass darunter auch über die Hälfte Nicht-Abonnent:innen mit WDR aktuell-Inhalten in Kontakt kommen. Und wenn wir auf Conversion schauen: Whatsapp taucht regelmäßig als zweitbeste Traffic-Quelle hinter Google auf.
Verena Egbringhoff, Leitung Digital Aktuell im Programmbereich Aktuelles, WDR
Wirtschaftswoche
Warum seid ihr mit WDR aktuell auf Whatsapp gegangen?
Wir haben schon 2016/17 eine Art WhatsApp-Newsletter gehabt, der wochentags um 17 Uhr über die wichtigsten Wirtschaftsnews des Tages informiert hat. Im Rahmen neuer Datenschutzgesetze konnte das über die damaligen Anbieter aber nicht weiterverfolgt werden. Das war sehr schade, da wir auf keinem Kanal so viel persönliches, konstruktives Feedback bekommen haben wie auf WhatsApp. Deswegen haben wir nicht lange gezögert, als Meta die Funktion der Markenkanäle ausgerollt hat. Da WhatsApp in Deutschland rund 50 Millionen Nutzer*innen hat und die meisten die App täglich verwenden, können wir dort unkompliziert Gruppen erreichen, die sonst vielleicht nicht in Berührung mit unseren Inhalten kommen würden.
Wie ist eure Bilanz? Was läuft gut bzw. hättet ihr nicht erwartet?
In einem Jahr haben wir 10.000 Abonnent*innen gewonnen, wobei die meisten in den ersten Wochen dazu gestoßen sind, als es noch keine so große Bandbreite von Newsmedien auf WhatsApp gab. Schade ist, dass es wenige Insights gibt, die von Meta zur Verfügung gestellt werden. Erst seit ein paar Wochen kann man sehen, wie hoch die Gesamtreichweite innerhalb eines bestimmten Zeitraums war oder wie viele Nutzer*innen hinzugekommen/abgesprungen sind. Besonders aussagekräftig ist das aber nicht. Wir würden uns mehr Einblick wünschen, etwa in die Aktivitätszeiten oder Demografie, oder darüber, wie oft ein Artikel innerhalb WhatsApps weitergeleitet wurde.
Was den Traffic betrifft, kann WhatsApp natürlich nicht mit Facebook oder LinkedIn konkurrieren. Allerdings rufen Nutzer*innen, die über WhatsApp kommen durchschnittlich die meisten Seiten auf und haben auch die längste Verweildauer (im Vergleich zu allen anderen SM-Kanälen).
Christina Hollender, Senior Social Media Redakteurin WirtschaftsWoche
Über die Autorin
Franziska Bluhm gehört zu den renommiertesten Medien- und Digitalprofis in Deutschland, mit mehr als 18 Jahren Führungserfahrung in unterschiedlichen deutschen Medienunternehmen - über Handelsblatt und WirtschaftsWoche, Rheinische Post und BILD. Sie unterstützt und begleitet Unternehmen und Redaktionen, gibt Trainings und Coachings, moderiert und hält Vorträge.
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