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Zeitschriften sterben - was wirklich jeder Journalist tun kann

von Franziska Bluhm am 17.02.2023

Michalis Pantelouris, langjähriger Teil der Gruner+Jahr-Maschinerie und jetzt unter anderem Autor bei Übermedien, zieht in seiner Kolumne nach den angekündigten Stellenstreichungen und Einstampfen zahlreicher Zeitschriften eine selbstkritische Bilanz: Nicht nur das Management habe in den vergangenen Jahren Fehler gemacht, auch die Journalist*innen trifft eine Schuld. Er schreibt:

Aber es befremdet mich, dass Journalisten, die zum Teil persönliche Helden für mich sind, sich nicht hinstellen können und sagen: „Das Kernproblem ist: Wir erreichen seit einiger Zeit das Publikum nicht mehr.“

Wir wissen: Schuldzuweisungen bringen nichts und es hilft auch kein Jammern und Klagen mehr. Über die Zukunft vieler journalistischer Marken ist entschieden worden - und damit auch über das Schicksal zahlreicher Journalist*innen. 

Aber vieles an dem Satz von Pantelouris ist wahr. Viele Medienmarken gehen den vermeintlich einfachen Weg und übertragen Geschäftsmodelle ins Digitale, obwohl sie ein anderes Produkt anbieten und gar nicht darüber nachdenken, wie ein Produkt aussehen müsste, wenn es auf die Bedürfnisse der Zielgruppe zugeschnitten ist. (Und zahlreiche Tageszeitungsverlage haben sich solche Modelle ja auch noch für 2023 vorgenommen.)

Zuletzt habe ich im Januar Seminartage mit Volontär*innen verbracht. Dort vermittele ich derzeit, wie digitale Medien funktionieren. Was es bedeutet, wenn eine Medienmarke Digital-Abonnierende gewinnen und halten möchte. Wo es sich lohnen kann, auf "Abofang" zu gehen, welche Formate, Tools hilfreich sein können. Was klappen kann, und was hoffnungslos ist. Ich finde es gut, dass einige Volontärsausbildungen mittlerweile auch diese Kenntnisse vermitteln und nicht nur auf klassische Inhalte wie das Schreiben guter Reportagen, Kolumnen oder Recherche und Recht setzen. 

Diese Tage enden meist mit Diskussion und Brainstorming, wie man mindestens im Kleinen Neues ausprobieren, Veränderungsprozesse in Gang setzen kann. Denn diese Menschen bringen häufig Dinge mit, die in vielen Redaktionen Mangelware sind: die externe Sicht auf das eigene Tun, frische Ideen, ein Gefühl dafür, was junge Menschen interessiert, welche digitalen Formate funktionieren.

Ich möchte drei Aspekte nennen, über die wir in diesem Zusammenhang immer diskutieren (neben anderen). Es sind drei einfache Dinge, die wirklich jede*r Journalist*in selbst machen kann und die der Anfang für Veränderung sein können: 

  1. Ein Gefühl für die eigene Zielgruppe entwickeln. Gespräche bei Terminen, Leserbriefe, organisierte User-Gespräche, Veranstaltungen - all diese Anlässe kann man nutzen, um zu verstehen, wie das Publikum tickt, auf welchen Wegen es sich informiert, welche Formate es nutzt, ob es lieber hört und schaut statt zu lesen. Je größer die Basis für die eigenen Argumente, desto einfacher läuft's in der nächsten Redaktionskonferenz. 
     
  2. Mind the silos. In vielen Häusern ist bereits (digitale) Kompetenz vorhanden. Manchmal bereits in der richtigen Funktion, häufig aber auch nicht. Gerade Journalist*innen neigen dazu, das Gespräch mit den Vertriebs-, Sales-, Produktkollegen oder Entwickler*innen zu vermeiden. Doch vielleicht entsteht genau aus der Kombination der Kompetenzen die zündende Idee.
     
  3. Ausprobieren. Ein wichtiges Kriterium bei allen Jobs, die ich in der Medienbranche innehatte, war, dass ich immer Dinge ausprobiert habe. Mein Blog startete ich 2003 als meine Spielwiese, neue digitale Formate erprobte ich zunächst über meine eigenen Kanäle und überlegte dann, wie sie in den Redaktionen funktionieren könnten.

    Das soll hier kein Plädoyer dafür werden, dass jede'r Volontär*in jetzt einen Podcast starten sollte. Aber ein Plädoyer dafür, auszuprobieren, auf welchem Weg Inhalte über die eigenen Social-Media-Kanäle verbreitet werden könnten. Oder zu überlegen, ob es hilfreiche Einsatzmöglichkeiten für Tools wie ChatGPT geben könnte. Oder zu schauen, wie man das Interesse nach historischen Bauten in der Stadt nachhaltig bedienen könnte, weil der eine Text seit Wochen täglich neue Abonnierende bringt.

All das geht und bedarf keiner großen zusätzlichen Ressourcen. Sondern folgt eigentlich einer Eigenschaft, die jede'r Journalist*in in sich tragen sollte: Neugier.

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Über die Autorin

Franziska Bluhm

Franziska Bluhm

Telefon: 0170 – 300 3671

E-Mail: post@franziskabluhm.de

Franziska Bluhm gehört zu den renommiertesten Medien- und Digitalprofis in Deutschland, mit mehr als 18 Jahren Führungserfahrung in unterschiedlichen deutschen Medienunternehmen - über Handelsblatt und WirtschaftsWoche, Rheinische Post und BILD. Sie unterstützt und begleitet Unternehmen und Redaktionen, gibt Trainings und Coachings, moderiert und hält Vorträge.

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