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Twitter Blue vs. Meta Verified: Zeitenwende in Social Media
von Franziska Bluhm am 24.02.2023
Knapp vier Monate ist es her, dass Elon Musk Twitter gekauft hat. Vier ganze Monate, in denen die Musk-Show tobte, um maximale Aufmerksamkeit zu erhalten. Vier Monate, in denen Musk das Unternehmen Schritt für Schritt umbaut - natürlich nicht lautlos, sondern jedes Fettnäpfchen mitnehmend, sodass diese die Aufmerksamkeitsmaschinerie aufrechterhalten. Kaum ein Tag, in dem nicht über Twitter, Musk und Co. berichtet wird.
Vier Monate später möchte ich dem Thema auch mal wieder Aufmerksamkeit schenken und das liegt nicht unbedingt an Twitter selbst. Der Grund: Nachdem Twitter nun seit einigen Wochen versucht, seinen blauen Verifizierungshaken für 7 Euro bzw. 8 Dollar pro Monat unter die Menschen zu bringen, hat nun auch Meta angekündigt, die kostenpflichtige Blaue-Haken-Verifizierung in den kommenden Monaten überall auszurollen. Derzeit laufen Tests in Australien und Neuseeland.
Für mich ist das eine Zeitenwende auf Social Media und ich erkläre auch gleich warum.
Twitter Blue und Meta Verified im Überblick
Twitter Blue Meta Verified Preis 8 Dollar pro Monat (11 Dollar in der iOS App) 11,99 Dollar pro Monat (14,99 in der iOS-App) Unterschied zw. alter und neuer Verifizierung Ja Nein Verifizierung mit Ausweis oder Pass? Nein Ja Mehr Reichweite? priorisiertes Ausspielen von Antworten und in der Suche Mehr Reichweite und Sichtbarkeit Sonstiges u.a. bearbeitbare Tweets, NFT-Profilbilder, längere Tweets und Videouploads, 2-Faktor-Authentifizierung per SMS u.a. exklusiver Kundensupport, proaktiver Schutz des Profils, exklusive Sticker
Zeitenwende in Social Media
In den vergangenen Jahren war eines der größten Argumente FÜR Social Media: Jeder hat eine Stimme und jeder hat die Möglichkeit gehört zu werden. Soziale Kontakte konnten entstehen - über große Distanzen hinweg. "Connecting the world", nannte es Marc Zuckerberg. Jede Meinung, Story, jedes Thema hatte die gleiche Chance gehört zu werden. Nun ja. Alte Zeiten.
Natürlich haben sich Social-Media-Kanäle immer wieder verändert. Wer in den vergangenen Monaten Mastodon als Twitter-Alternative ausprobiert hat, konnte am eigenen Leib erfahren, wie es vor ungefähr zehn Jahren auf Twitter war. Neue Kanäle kamen immer wieder dazu. In den vergangenen Monaten haben wir uns mit der sogenannten Tiktokisierung der übrigen Kanäle beschäftigt - oder anders ausgedrückt: mit dem Abschied vom Social Graph, der mehr und mehr zum Discovery Graph wird. Gleichzeitig erleben wir, dass sich viele aus Social Media zurückziehen, in privatere Netzwerke.
Der wirtschaftliche Druck steigt
Die Unsicherheiten an den Märkten sorgten dafür, dass die bisherigen Geschäftsmodelle der Plattformen nicht mehr so gut funktionierten. Es ist nur ein paar Wochen her, da musste Meta tausende Mitarbeiter*innen entlassen. Gleichzeitig droht mehr Regulierung. Datenschutz wird in Zukunft eine größere Rolle spielen. Dazu passt der Schritt von Meta, die Verifizierung an das Hinterlegen eines Ausweisdokuments zu koppeln - Hass und Verleumdungen werden nun vermutlich besser nachvollziehbar.
Power to the people
Aber ich wollte schreiben, warum ich diesen Schritt als Zeitenwende sehe: Denn jetzt könnten schon bald neue Regeln gelten: Wer gehört werden will, der kann ja dafür bezahlen. Oder wie Journalist Dennis Horn im Haken-dran-Podcast so schön formulierte: "Power to the people - with money". Der, der zahlt, bekommt jetzt mehr Reichweite und Sichtbarkeit.
- Können in solchen Zeiten Dinge wie "Me too" eine solche gesellschaftliche Relevanz entfalten?
- Können sich die Frauen im Iran noch organisieren und weltpolitischen Druck ausüben?
- Ist es noch möglich, schnell und unkompliziert Hilfe in Katastrophengebieten zu organisieren, wie wir es gerade in der Türkei erleben?
- Ich sehe die große Gefahr, dass es Diktatoren, Extremisten und Mullahs jetzt noch leichter haben werden, mithilfe einer großzügigen finanziellen Ausstattung Aufmerksamkeit auf ihre Thesen, Botschaften und Propaganda lenken. Demokratien ins Wanken zu bringen, könnte ebenfalls noch leichter werden.
Ein erster Beleg für diese Entwicklung ist bereits da: Die Washington Post berichtet, dass gerade in Russland schon kräftig blaue Haken eingekauft werden.
Nachhaltige Kommunikation mit Social Media?
Wie gut es in Zukunft möglich sein wird, nachhaltige Bindung mithilfe von Social-Media-Kanälen aufzubauen, bleibt abzuwarten. Allein schon, weil es ungewiss ist, wie Nutzerinnen und Nutzer auf diese Features reagieren und ob es den Netzwerken gelingt, auch weiterhin ihre Relevanz im Kommunikationsmix aufrechtzuerhalten. Fakt ist: Es wird schwieriger werden, aber das wurde es bereits in den vergangenen Monaten durch die stetige Abkehr vom Social Graphen und die damit verbundene höhere Priorisierung von einzelnen Inhalten im Vergleich zum Communitybuilding. Das muss zukünftig verstärkt auf anderen Wegen geschehen.
Eines zeigt diese Entwicklung aber auch: Wer in Sachen Kommunikation, Verbreitung von Inhalten, Verbindungen aufbauen nur auf Social Media setzt, sollte spätestens jetzt darüber nachdenken, Alternativen zu suchen. Das können Plattformen wie Discord sein, das können aber auch Webseiten sein oder Newsletter.
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Über die Autorin
Franziska Bluhm gehört zu den renommiertesten Medien- und Digitalprofis in Deutschland, mit mehr als 18 Jahren Führungserfahrung in unterschiedlichen deutschen Medienunternehmen - über Handelsblatt und WirtschaftsWoche, Rheinische Post und BILD. Sie unterstützt und begleitet Unternehmen und Redaktionen, gibt Trainings und Coachings, moderiert und hält Vorträge.
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