DigitalstrategieNewsroom
20 Anzeichen, dass die Digitalisierung im Newsroom auf den Prüfstand gehört
von Franziska Bluhm am 24.10.2024
Der Konsum von Nachrichten und Medien hat sich in den vergangenen Jahren stark verändert.
- Nachrichten werden digital konsumiert, laut Digital News Report 2024 sind Zeitungen dafür nur noch der viertbeliebteste Kanal.
- Social-Media-Kanäle setzen immer stärker darauf, die Menschen auf ihren Plattformen zu halten und strafen Postings mit Links zu Webseiten ab.
- Mittlerweile enden mehr als die Hälfte aller Google-Suchanfragen auf der Ergebnisseite, weil die Suchmaschine dort immer bessere Inhalte ausspielt und ein Weiterklicken auf eine Seite nicht mehr nötig ist.
- Google Discover hat für viele Newsrooms großes Potenzial, doch ist der Erfolg dort häufig von Zufällen geprägt.
- Das Suchverhalten verändert sich: Während junge Menschen immer stärker Tiktok und Youtube für ihre Suchanfragen nutzen, werden auch generative KI-Tools wie ChatGPT und für Anfragen genutzt.
Nicht alle Newsrooms haben auf diesen Wandel reagiert. Nicht nur für Medienmarken, sondern auch für Unternehmen ist es aus oben genannten Gründen schwerer geworden, ihre Zielgruppen im Digitalen zu erreichen.
20 Anzeichen, dass Sie über eine digitale Neuausrichtung Ihres Newsrooms nachdenken sollten:
1. Themenfokus in Redaktionskonferenzen: Die Themenauswahl orientiert sich immer noch fast ausschließlich an Gefühlen oder Erfahrung. Wenn Inhalte besprochen werden, geht es meist nur um den Zeitpunkt der Veröffentlichung, nicht um die inhaltliche Anpassung an die unterschiedlichen digitalen Kanäle oder das Erfüllen von Nutzer*innenbedürfnissen (User Needs). In Redaktionen steht die Printausgabe bei der Planung im Vordergrund.
2. Digitales Engagement wird skeptisch betrachtet: Vorschläge für Themen, die auf Online-Kanälen hohes Engagement erzielen könnten, werden in der Regel mit Skepsis betrachtet.
3. Trennung von Print und Digital: Es gibt keine gemeinsame Themenplanung, Häufig arbeitet die Mehrheit der Kolleg*innen an der Printausgabe. Ein kleines Team kümmert sich um die digitalen Kanäle. Echter Austausch findet kaum statt.
4. Unbesetzte SEO-Position: Während redaktionelle Stellen nachbesetzt werden, ist die Position der SEO-Redakteurin seit Monaten unbesetzt, was zeigt, dass digitale Optimierung als weniger wichtig erachtet wird.
5. Mangelnde Analyse von Online-Erfolgen: Ein Artikel ist seit Tagen der absolute Klickfavorit, aber niemand kann erklären, warum das so ist. Es fehlen Tools und Know-how, um Online-Erfolge zu analysieren und daraus zu lernen.
6. Veraltete Prozesse: Die internen Abläufe haben sich seit Jahren nicht verändert. In Redaktionen erfolgen Abgaben immer noch spät am Tag, und Artikel werden oft erst am Abend oder am Folgetag online veröffentlicht.
7. Sorge vor Kannibalisierung durch digitale Kanäle: Es herrscht die Angst, dass die Online-Präsenz der Printausgabe schadet. Viele sehen die digitalen Kanäle als Bedrohung und nicht als Chance.
8. Paywall als Vertriebssache: Obwohl es eine Paywall gibt, liegt die Verantwortung für die Abogewinnung beim Vertrieb oder Marketing. Die Redaktion kennt weder die Namen noch die Strategien der zuständigen Mitarbeitenden oder ahnt, welche Themen besonders gut in Abos konvertieren.
9. Veraltete Inhalte hinter der Paywall: Um neue Abonnent*innen zu gewinnen, werden oft ältere Inhalte verwendet. Die Chance, durch exklusive und aktuelle Artikel Interesse zu wecken, wird nicht genutzt.
10. Social Media nur Werbekanal für eigene Angebote: Die Social-Media-Präsenzen der Redaktion dienen primär dazu, die Printausgabe zu bewerben. Social Media wird nur als Trafficlieferant für die eigene Website gedacht. Potenziale der Plattformen zur Markenbildung, Interaktion und Nutzerbindung bleiben ungenutzt.
11. Einseitige Inhalte auf Social Media: Die Inhalte auf den sozialen Netzwerken bestehen vorwiegend aus Text. Multimedia-Formate wie Videos, Grafiken oder interaktive Elemente werden selten eingesetzt.
12. Keine Interaktion mit Nutzenden: Leser*innen auf Social Media erhalten selten Antworten auf ihre Kommentare oder Nachrichten. Gleichzeitig wird in jeder Konferenz der raue Umgangston in den Kommentarspalten beklagt.
13. Automatisierter Newsletter ohne Strategie: Der Newsletter entsteht automatisch aus den zuletzt veröffentlichten Inhalten, die Betreffzeile bleibt stets gleich. Es fehlt eine gezielte Ansprache, um Abonnierende zu gewinnen oder zu binden.
14. Unklare Zahlen zum Newsletter: Niemand weiß genau, wie viele Menschen den Newsletter abonnieren oder wie oft er tatsächlich geöffnet oder auf welche Links geklickt wird. Eine gezielte Auswertung von Kennzahlen findet nicht statt.
15. Veraltete Website-Struktur: Die Website ist schwer zu navigieren, wenig benutzerfreundlich und nicht für mobile Nutzung optimiert. Selbst die zuständigen Redakteure haben den Überblick verloren.
16. Veraltete Ausbildung: Fort- und Weiterbildungen konzentrieren sich vorwiegend auf klassische Formate. Digitale Kompetenzen werden vernachlässigt.
17. Mangelndes Verständnis für SEO: Schlagzeilen und Artikelstrukturen sind selten optimiert, um in Suchmaschinen besser gefunden zu werden. Die Bedeutung von SEO wird unterschätzt, es wird allein nach dem Motto „Gute Inhalte setzen sich von selbst durch.“ gearbeitet.
18. Das Management versteht digitale Transformation nicht: Die Führungsebene sieht Online-Kanäle als bloße Ergänzung und nicht als eigenständigen Bereich, der gezielte Ressourcen und spezifische Strategien benötigt.
19. Einsatz von Künstlicher Intelligenz wird verteufelt: Obwohl KI-Tools helfen könnten, Routineaufgaben wie beispielsweise Wetterberichte oder Börsenmeldungen effizienter zu gestalten, wird ihr Einsatz als Bedrohung für die Qualität und Authentizität gesehen.
20. Keine KI-Strategie: Es gibt keine umfassende KI-Strategie im Unternehmen, die Newsroom-, Vertriebs- und Marketingprozesse vernetzt und optimiert. Stattdessen bleibt der Einsatz von KI sporadisch und unkoordiniert, wodurch rechtliche Risiken entstehen und wertvolle Synergien ungenutzt bleiben.
Über die Autorin
Franziska Bluhm gehört zu den renommiertesten Medien- und Digitalprofis in Deutschland, mit mehr als 18 Jahren Führungserfahrung in unterschiedlichen deutschen Medienunternehmen - über Handelsblatt und WirtschaftsWoche, Rheinische Post und BILD. Sie unterstützt und begleitet Unternehmen und Redaktionen, gibt Trainings und Coachings, moderiert und hält Vorträge.
Hinterlassen Sie doch einen Kommentar!
Ihre E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert.